Was sind Süssstoffe und was sind Zuckeraustauschstoffe?
Zwischen Süssstoffen und Zuckeraustauschstoffen muss unterschieden werden:
Süssstoffe
Süssstoffe sind, ausser Stevia, künstlich hergestellte Stoffe, welche praktisch keine Kalorien besitzen, keine Karies verursachen und eine Süsskraft besitzen, welche um einiges höher ist als die von Zucker. Dazu gehören z.B. Acesulfam K (E 950), Aspartam (E 951), Cyclamat (E 952), Saccharin (E 954), Sucralose (E 955). Süssstoffe gehören zu den Zusatzstoffen und müssen auf der Zutatenliste aufgeführt werden und es gibt einen von der WHO festgelegten ADI-Wert (=Acceptable Daily Intake), welcher die tägliche Maximaldosis definiert die als medizinisch unbedenklich angesehen wird. Als Beispiel sind das bei Stevia 4 mg pro Kilogramm Körpergewicht und bei Aspartam 40 mg pro Kilogramm Körpergewicht.
Von gesundheitlichem Interesse ist, ob es bis zu dieser Dosis auch wirklich keine Veränderung im Darmmikrobiom gibt, wobei einige Studien leider ein anderes Bild zeigen. Aus einer Studie aus dem Jahr 2021 ergab sich, dass bereits kleinste Mengen an Sucralose, Saccharin oder Aspartam ausreichen, um die Darmbakterien negativ zu beeinflussen. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass sich die Bakterien Escherichia coli und Enterococcus faecalis durch die Einnahme dieser Süssstoffe so veränderten, dass sie Darmwand durchdringen konnten, was im Körper zu Infektionen führen kann [1]. Diese Studie ist leider kein Einzelfall.
Wenn wir uns die Verstoffwechselung einiger bekannten Süssstoffe wie Aspartam, Acesulfam-K, Sucralose und Saccharin anschauen, fällt auf, dass von Aspartam und Acesulfam-K so wenig bis zum Dickdarm gelangt, dass ein Einfluss auf das Darmmikrobiom eigentlich als unrealistisch angesehen werden müsste. Diese beiden Stoffe werden zum grössten Teil durch den Urin ausgeschieden und es kommt weniger als 1 % davon bis zu den Darmbakterien. Bei der Sucralose gelangen zwar ca. 85 % bis zum Dickdarm, davon lassen sich jedoch 94 % bis 99 % unverändert in den Fäkalien auffinden. Können diese 1 % bis 6 % von einer sehr kleinen Menge wirklich einen entscheidenden Einfluss haben? [2]
Der Stoffwechsel von Steviolglykosid (=Stevia) hängt von der Darmmikrobiota ab, welche die Glykoside in Steviol abbaut, welches dann vom Wirt aufgenommen werden kann [5].
Zuckeraustauschstoffe
Zuckeraustauschstoffe sind chemische Polyole, sog. Zuckeralkohole. Sie sind in der Regel weniger süss als Zucker, liefern wenig bis keine Kalorien und wirken sich nur wenig auf den Blutzuckerspiegel und die Insulinausschüttung des Körpers aus. Sie sind daher sehr spannend, als dass man sie in der Regel wie Zucker verwenden und mit ihnen z.B. auch gut backen oder kochen kann.
Zu den Zuckeraustauschstoffen gehören z.B. Erythrit (E 968), Xylit (E 967), Isomalt (E 953), Sorbitol (E 420) oder auch Mönchsfrucht (E 968). Bei den Zuckeralkoholen gibt es keinen von der WHO festgelegten ADI-Wert. In grösseren Mengen können sie allerdings abführend wirken.
Die Vorteile von Süssstoffen und Zuckeraustauschstoffen sind offensichtlich: Die Vielfalt an verschiedenen Stoffen ist so gross, dass Zucker praktisch überall ersetzt werden kann. Wir können damit Kalorien einsparen und dem zunehmenden Übergewicht entgegenwirken, mit geringem oder gar keinem Effekt auf den Blutzuckerspiegel und die Insulinausschüttung, was uns vor Insulinresistenz und Diabetes schützen könnte. Wir müssen damit nicht auf Süssigkeiten verzichten. Aber obwohl das alles sehr positiv klingt, ist es leider doch nicht ganz so einfach und der Grund dafür ist in erster Linie in unserem Darmmikrobiom zu finden.
Was sagen die aktuellen Studien zu diesem Thema?
Zuerst einmal möchte ich anmerken, dass Studien in Ernährungsfragen gar nicht so einfach zu interpretieren sind. Arbeitet man mit Mäusen und Ratten, so gibt es zwar die Möglichkeit mit vielen «Probanden» zu arbeiten und Bedingungen zu standardisieren, aber dafür sind die Resultate nie 1:1 auf den Menschen übertragbar. Macht man die Studien mit Menschen, so fangen die Probleme erst recht an. Erstens ist es schwierig genügend Freiwillige zu finden, welche auch über einen längeren Zeitraum bereit sind mitzumachen. Zweitens müssten die Bedingungen für optimale Resultate standardisiert werden, was bedeutet, dass jeder genau dasselbe isst und trinkt, sich gleich viel bewegt, gleichem Stress ausgesetzt ist, keine oder dieselben Medikamente nimmt etc. Alles Faktoren, welche einen grossen Einfluss auch auf unser Darmmikrobiom haben. Selbst wenn das gelingen würde, so bringt doch jeder eine andere Voraussetzung mit sich, denn keiner hat vorher genau so wie ein anderer Studienteilnehmer gelebt. Daher überrascht es auch nicht, dass Resultate in den Studien oft sehr unterschiedlich ausfallen.
Im April 2023 wurde eine sehr gute Review veröffentlicht, bei welcher viele Studien zu den Süssstoffen Aspartam, Acesulfam-K, Saccharin und Sucralose zusammengefasst wurden. Von den 177 Studien, welche zu dem Thema veröffentlicht wurden, konnten am Ende nur 24 ausgewertet werden, weil nur sie allen Anforderungen entsprachen. Über diese Süssstoffe gibt es sowohl Humanstudien als auch in vitro Studien [2].
In den bisher durchgeführten Studien wurden unterschiedliche Auswirkungen von den oben genannten Süssstoffen auf den Stoffwechsel der Darmmikrobiota beschrieben. Siehe Abbildung 1. Obwohl eigentlich eine sehr vernachlässigbare Menge der aufgenommenen Süssstoffe in den Darm gelangen, deuten die Studien darauf hin, dass die Darmbakterien diese verstoffwechseln können, was zu Veränderungen in ihrer Stoffwechselaktivität führt und die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren moduliert und negativ verändert [3,4]. Diese kurzkettigen Fettsäuren, wie Acetat, Propionat und Butyrat sind für unsere Gesundheit von grosser Wichtigkeit.
In der Review wird allerdings auch deutlich, wie unterschiedlich die Resultate der bisherigen Studien ausfallen. Auch wenn einige Humanstudien klare dysbiotische Auswirkungen auf die Darmmikrobiota festgestellt haben, berichten viele randomisierte kontrollierte Studien über das Fehlen signifikanter Auswirkungen [2]. Wenn wir uns aber noch einmal die oben genannte Studie aus dem Jahr 2021 vor Augen führen, so zeigt diese einen sehr klaren negativen Effekt der dort untersuchten Süssstoffe. Dabei wurde gezeigt, dass bereits zwei Dosen Coca-Cola Light eine Süssstoffkonzentration enthalten, welche die Schädlichkeit von E. coli und von E. faecalis deutlich verstärken, indem diese die Darmwand überwinden und in den Blutkreislauf gelangen können [1].
Zu Stevia wurde im April 2022 eine Übersichtsarbeit über 14 Studien veröffentlicht. Es handelt sich dabei einzig um in vitro, also nicht am Menschen durchgeführte Studien. Die Mehrheit der Studien zeigten dabei sogar ein sehr positives Resultat, indem Stevia-Substanzen eine probiotische Wirkung zum Schutz vor Entzündungsprozessen und Dysbiose nachahmen konnte. Aber auch das war wieder nur eine Seite der Medaille und so zeichneten auch hier wieder ein paar Studien ein anderes Bild [5].
Was sich bei all den Studien sicher zeigt ist, dass der Effekt, wenn es denn einen gibt, auch von der Menge und der Regelmässigkeit der Einnahme der Süssstoffe abhängt.
Wie sieht es nun aber bei den Zuckeraustauschstoffen Xylit, Erythrit und Mönchsfrucht aus?
Erythrit und Xylit findet man heute in fast allen gängigen Supermärkten.
Erythrit wird fast vollständig absorbiert und über den Urin ausgeschieden. Dadurch ist er relativ gut verträglich. Studien zeigen, dass Erythrit keine Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel und das Insulin hat und dazu die Ausschüttung von Darmhormonen anregt, welche das Sättigungsgefühl beeinflussen und so die Gewichtsabnahme fördern [6]. Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigte, dass die Konzentration kurzkettiger Fettsäuren, wie Acetat, Propionat und Butyrat, bei der Gruppe welche Erythrit konsumierte höher war im Serum, im Kot und im weissen Fettgewebe als bei der Kontrollgruppe. Da die kurzkettigen Fettsäuren viele positive Eigenschaften mit sich bringen und durch die Darmbakterien produziert werden, könnte man diese Studie so interpretieren, dass sich Erythrit nicht negativ auf unser Darmmikrobiom auswirkt [7,8].
Xylit, auch Birkenzucker genannt, ist für die Mikroorganismen im Dickdarm verdaulich und soll laut einer Studie aus dem Jahr 2021 die Vermehrung nützlicher Bakterien und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren fördern. Der Mechanismus, der diesen Wirkungen zugrunde liegt, konnte in dieser Studie allerdings nicht eindeutig gezeigt werden. Was gezeigt werden konnte ist, dass Schlüsselenzyme des Xylit-Stoffwechsel in den Bacteroides und Lachnospiraceae vorkommen, wodurch diese als Schlüsselbakterien in der Xylitverdauung angesehen werden. Dazu konnte aufgezeigt werden, dass unter Xylit die Produktion von Propionat erhöht wird. Dadurch senkte sich der pH-Wert und die Menge von Escherichia und Staphylococcus wurde reduziert.
Ein besonders interessanter Zuckerersatzstoff ist meiner Meinung nach Mönchsfrucht. Ein Zuckerersatzstoff, welchen man bei uns bis heute kaum bekommt. Mönchsfrucht ist eine exotische Frucht aus China, welche etwa 300x süsser ist als Zucker, aber keine Kalorien aufweist. Man bekommt sie in den USA gemischt mit Erythrit und diese Kombination schmeckt sehr ähnlich wie regulärer Haushaltszucker. Im Februar 2020 wurde eine Studie veröffentlicht, bei welcher der Einfluss eines mit Mönchfrucht gesüssten probiotischen Joghurts auf die Gesundheit untersucht wurde. Dabei wurde festgestellt, dass damit nicht nur eine Regulierung des Blutzuckers und der Insulinresistenz herbeigeführt werden konnte, sondern dass sich dieser Joghurt auch positiv auf den Status der Darmmikrobiota auswirkte und vermehrt kurzkettige Fettsäuren produziert wurden. Bei der Gruppe, welchen eine probiotischen mit Saccharose gesüsste Joghurt bekommen haben, konnten diese positiven Effekte nicht festgestellt werden [10].
Abschliessend noch ein paar persönliche Worte:
Es werden noch viele Studien, vor allem Humanstudien, nötig sein, um eindeutig beurteilen zu können, welchen Effekt Süssstoffe und Zuckerersatzstoffe auf unser Darmmikrobiom haben und wie viel davon wir wirklich bedenkenlos konsumieren können. Anhand meiner Recherche werde ich zum jetzigen Zeitpunkt die Zuckeraustauschstoffe Xylit, Erythrit und Mönchsfrucht, sowie den Süssstoff Stevia meinen Kund*innen mit einem besseren Gefühl empfehlen können als die Süssstoffe Aspartam, Acesulfam-K, Sucralose und Saccharin. Letztere würde ich so gut wie möglich weglassen.
Da künstliche Süssungsmittel dabei unterstützen können eine gesunde Ernährung umzusetzen und auch langfristig beizubehalten, ist es meiner Meinung nach in Ordnung diese auch ab und zu einzusetzen. Die vielen anderen gesunden Nahrungsmittel und die mit einer Ernährungsumstellung vielleicht einhergehende Gewichtsreduktion werden auch zahlreiche weitere gesundheitliche Vorteile bringen und sich positiv auf unser Darmmikrobiom auswirken. Dazu kommt, dass der gewöhnliche Haushaltszucker ersetzt wird, bei welchem wir wissen, dass er sich negativ auf unser Darmmikrobiom auswirkt.
Das tägliche Porridge oder den Magerquark mit etwas Erythrit zu süssen ist meiner Meinung nach völlig in Ordnung, auf das tägliche Süssgetränk, egal ob mit Zucker oder Süssstoffen sollte versucht werden zu verzichten. Das bedeutet nicht, dass man an einem heissen Sommertag nicht auch einmal ein kaltes Coca-Cola Zero trinken darf, denn wie überall wird auch hier am Ende die Dosis das Gift ausmachen.
Artikel wurde veröffentlicht auf: https://www.mybioma.com/de/blog/sind-suessstoffe-und-zuckeraustauschstoffe-schlecht-fuer-unser-darm-mikrobiom/
Quellen
[1] Artificial Sweeteners Negatively Regulate Pathogenic Characteristics of Two Model Gut Bacteria, E. coli and E. faecalis, Aparna Shil and Havovi Chichger, Mai, 2021
[2] Effect of Non-Nutritive Sweeteners on the Gut Microbiota, Andrea Conz, Mario Salmona and Luisa Diomede, April, 2023
[3] Artificial Sweeteners Induce Glucose Intolerance by Altering the Gut Microbiota. Suez, J.; Korem, T.; Zeevi, D.; Zilberman-Schapira, G.; Thaiss, C.A.; Maza, O.; Israeli, D.; Zmora, N.; Gilad, S.; Weinberger, A.; et al. Nature 2014, 514, 181–186.
[4] Gut Microbiome Response to Sucralose and Its Potential Role in Inducing Liver Inflammation in Mice. Bian, X.; Chi, L.; Gao, B.; Tu, P.; Ru, H.; Lu, K. Front. Physiol. 2017, 8, 487.
[5] The Effects of Stevia Consumption on Gut Bacteria: Friend or Foe? Arezina N. Kasti, Maroulla D. Nikolaki, Kalliopi D. Synodinou, Konstantinos N. Katsas, Konstantinos Petsis, Sophia Lambrinou, Ioannis A. Pyrousis and Konstantinos Triantafyllou, April, 2022
[6] Erythritol: An In-Depth Discussion of Its Potential to Be a Beneficial Dietary Component, Tagreed A. Mazi and Kimber L. Stanhope,, Jan, 2023
[7] Erythritol Ameliorates Small Intestinal Inflammation Induced by High-Fat Diets and Improves Glucose Tolerance, Rena Kawano, Takuro Okamura, Yoshitaka Hashimoto, Saori Majima, Takafumi Senmaru, Emi Ushigome, Mai Asano, Masahiro Yamazaki, Hiroshi Takakuwa, Ryoichi Sasano, Naoko Nakanishi, Masahide Hamaguchi, and Michiaki Fukui, Jun, 2021
[8] Plausible Biological Interactions of Low- and Non-Calorie Sweeteners with the Intestinal Microbiota: An Update of Recent Studies, Julio Plaza-Diaz,1,2,3 Belén Pastor-Villaescusa,1,4,5 Ascensión Rueda-Robles,1,2 Francisco Abadia-Molina,2,6 and Francisco Javier Ruiz-Ojeda, Apr, 2020
[9] Xylitol enhances synthesis of propionate in the colon via cross-feeding of gut microbiota, Shasha Xiang, Kun, Mian, Jian Ying, Huanhuan Wang, Jianzhong Han, Lihua Shi, Jie Xiao, Yubiao Shen, Xiao Feng, Xuan Bao, Yiqing Zheng, Yin Ge, Yalin Zhang, Chang Liu, Jie Chen, Yuewen Chen, Shiyi Tian, Xuan Zhu, Mar, 21
[10] Effects of a synbiotic yogurt using monk fruit extract as sweetener on glucose regulation and gut microbiota in rats with type 2 diabetes mellitus, Qingfeng Ban, Jianjun Cheng, Xiaomeng Sun, Shanbo Zhao, Xiao Song, Mingruo Guo, Feb, 2020