Ich möchte am Beispiel der Verstopfung aufzeigen, wie viele Ursachen ein einzelnes Symptom haben kann und wie schwierig es deshalb sein kann, die dahintersteckende Ursache herauszufinden. Dies wird in der Regel auch nicht gelingen, wenn man sich nur auf das offensichtliche Symptom, wie hier zum Beispiel die Verstopfung, konzentriert. Unser Körper ist ein absolutes Wunderwerk und so viele Prozesse und Vorgänge spielen ineinander und so kann auch die eigentliche Ursache an einem ganz anderen Ort als das Symptom zu finden sein.
In Europa wird davon ausgegangen, dass ca. 15% der Bevölkerung unter Verstopfungen leiden. Frauen und ältere Menschen sind in der Regel häufiger betroffen. Von Verstopfung (=Obstipation) spricht man, wenn wir eine sehr niedrige Stuhlfrequenz haben, mit einem harten Stuhl, welcher meist nur durch starkes Pressen unseren Körper verlassen kann. Zwischendurch einmal eine Verstopfung zu haben, stellt noch kein Problem dar. Hält diese Verstopfung allerdings länger an, so muss dies auf jeden Fall angegangen werden. Nicht behandelte Verstopfungen können entzündlichen Ausstülpungen, Inkontinenz, Darmverschluss, Analfissuren oder Hämorrhoiden führen.
Mögliche Ursachen für eine Verstopfung sind:
- Falsche Ernährung mit zu wenig Ballaststoffen und zu wenig Flüssigkeit
- Bewegungsmangel
- Ein Ungleichgewicht im Darmmikrobiom
- Mikronährstoffmangel wie ein Mangel an Vitamin B1, B3, B6 und B12.
- Störungen im Hormonhaushalt, wie das Zusammenspiel von Progesteron und Östradiol, zu viel Parathormon, eine Schilddrüsenunterfunktion, Stress
- Diabetes mellitus (extra separat aufgeführt)
- Neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, multiple Sklerose, Demenz, Läsionen vegetativer Nervengeflechte im Bauch- und Beckenbereich nach Operationen
- Psychologische Erkrankungen wie Depressionen und Essstörungen
- Durchgangsstörungen im Darm wie zum Beispiel nach Operationen, durch Wucherungen, Fehlbildungen etc.
- Medikamente wie Antiepileptika, trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Opioide etc.
- Abrupte Lebensveränderungen wie dies zum Beispiel beim Reisen oft der Fall ist
- Alter
Aus diesen Gründen ist es so unglaublich wichtig den Menschen in seiner Gesamtheit anzuschauen. Man muss anschauen, welche Symptome sonst noch vorhanden sind, vielleicht auch Symptome, welcher der Patient / die Patientin gar nicht erwähnt, weil sie für ihn / sie schon so zum Alltag gehören, dass es für ihn / sie nicht mehr erwähnenswert ist. Man muss aber auch ein Auge auf den Alltag werfen, möglichen Stress, das Alter, mögliche Erkrankungen oder Traumas der Vergangenheit etc. Man muss zuhören, nachfragen und alles wie ein Puzzle zusammensetzen. Wenn ich den Patient*in bei einer Verstopfung eine Ernährungsumstellung und eine Darmmikrobiom Analyse vorschlage, so wird das selten in Frage gestellt. Stelle ich allerdings Fragen zum Menstruationszyklus, zum Schlafverhalten, zu Müdigkeit und Erschöpfung, zu Operationen, Erkrankungen der Vergangenheit etc. wird man oft schon mit etwas grösseren Augen angeschaut. Wenn ich aber kein Gesamtbild habe, so werde ich nur die Symptome und nicht die Ursache bekämpfen. Dann kann man genauso gut ein Abführmittel geben, welches die Verstopfung «auflöst». Es wird dann zwar kurzfristig besser, wird aber auf jeden Fall wieder zurückkommen. Ist z.B. eine hormonelle Ursache der Grund für die Verstopfung, wird man vielleicht mit einer reinen Ernährungsumstellung nicht zum Ziel kommen.
Durch diese vielen Puzzleteile erhalte ich eine Richtung, in welche die Behandlung gehen könnte. Manchmal ist die Ursache sehr offensichtlich und manchmal nicht. Dann geht es aber nicht darum einen Test am anderen durchzuführen, sondern darum mit dem anzufangen, was den kleinsten Aufwand mit sich bringt und den Effekt davon neu zu beurteilen.
Man könnte viele weitere Symptome und ihre vielen möglichen Ursachen auflisten. Mit diesem Blogbeitrag wollte ich einfach aufzeigen wie vielschichtig ein einziges Symptom sein kann und wie enorm wichtig es ist den Menschen immer individuell und immer in seiner Ganzheit zu betrachten. Und ganz egal wie wenig Sinn ihre Symptome für sie machen, weil sie ja so nicht zusammen passen, so gibt es immer eine Ursache dahinter, welche es wert ist zu suchen.